Menschen lesen zu können – privat wie im Business – bedeutet, auf die kleinen Dinge zu achten, die große Wirkung haben können. Ich habe hier ein Überblick für dich, auf welche „Kleinigkeiten“ du in einem Gespräch bei deinem Gegenüber achten kannst:
Die Körpersprache – alles zählt
- Offen: Arme und Beine nicht verschränkt, dem Gesprächspartner zugewandt
- Verschlossen: Verschränkte Arme, abgewandter Blick, Distanz suchend
- Dynamisch: aufrechte Haltung, aktive Gesten, Vorlehnen
- Zögerlich: zurückgelehnt, Hände „versteckt“, nervöse Bewegungen
➡️ Warum ist die Körpersprache so wichtig? Sie spiegelt oft unbewusst die innere Haltung – und kann dem Gesagten manchmal sogar widersprechen. Achte auf Widersprüche zwischen Worten und Körperhaltung.
Beispiel: Jemand sagt: „Das ist aber interessant“, lehnt sich dann zurück und verschränkt die Arme. Hier lohnt es sich nachzufragen, statt das „interessant“ für bare Münze zu nehmen und gleich weiter voran zu preschen.
Mimik – Spiegel der Emotionen
- Stirnrunzeln? → Zeigt Skepsis oder Konzentration
- Hochgezogene Augenbrauen? → Hieran erkennst du Überraschung oder Interesse
- Lächeln? → Ein Zeichen für Sympathie oder Höflichkeit
➡️ Warum solltest du auch auf die Mimik achten? Sie zeigt emotionale Reaktionen in Echtzeit, oft sogar bevor die Person etwas sagt. Mikromimik kann verraten, was die Person wirklich denkt oder fühlt. Wenn du lernst darauf zu achten, bekommst du in manchen Momenten vielleicht sogar schneller mehr mit als die Person selber…
Beispiel: Eine Kundin lächelt, als sie den Preis hört, aber ihre Augenbrauen ziehen sich minimal zusammen – ein Hinweis, dass sie innerlich noch zögert.
Stimme & Wortwahl – der Ton macht die Musik
- Schnelles Sprechen? → Eilig, angespannt, möchte Kontrolle behalten
- Zögerliches Sprechen? → Unsicherheit, sucht nach Formulierungen
- Betonung? → Welche Wörter betont die Person besonders?
➡️ Was kannst du hier raushören? Stimme und Wortwahl geben zum einen Aufschluss über den momentanen inneren Zustand der Person (Aufregung z.B.) , zum anderen über die Gewichtung von Themen. Hör auf Nuancen und Zwischentöne.
Beispiel: Ein Interessent sagt: „Ja … könnte man machen“, aber zieht das „Ja“ lang und klingt unsicher. Hier signalisiert die Stimme zögerliche Zustimmung, nicht echte Überzeugung.
Fun Fact: Ich bin mal einer Lüge auf den Grund gekommen, weil die Person auf meine Frage mit der Antwort erst gezögert hat, dann sehr flüssig ziemlich viele Details zu der Geschichte hatte. Alleine durchs Hinhören konnte man die Lüge erkennen, obwohl das Gesagte inhaltlich wasserdicht war.
Kleidung & Auftritt – die unübersehbare Botschaft
- Detailorientiert, ordentlich? → Oft perfektionistisch, anspruchsvoll
- Lässig, sportlich? → Wert legt auf Authentizität und Bodenständigkeit
- Statusbetont? → Bedürfnis nach Anerkennung und Prestige
➡️ Was kannst du hier sehen? Kleidung und Stil sind bewusste und manchmal unbewusste Botschaften, wie jemand gesehen werden möchte. Sie geben Hinweise auf Selbstbild, Prioritäten, Stimmung.
Beispiel: Ein Kunde erscheint zum ersten Treffen im perfekt sitzenden Designeranzug – ein Signal, dass ihm Status und Seriosität wichtig sind. Das könntest du in deiner Ansprache hervorheben.
Menschen lesen lernen: So trainierst du deine Beobachtungsgabe
Die gute Nachricht: Menschen lesen kann man lernen.
Hier sind ein paar praktische Übungen für deinen Alltag:
Schritt 1: neutrales Beobachten
✅ Nimm dir in Meetings oder bei Treffen vor, bewusst auf Körpersprache & Wortwahl zu achten – ohne sofort zu beurteilen.
✅ Beobachte Menschen im Café: Wie verhalten sie sich, wenn sie warten, wenn sie telefonieren, wenn jemand Neues dazu kommt, im Gespräch?
✅ Lass Fotos von dir selbst analysieren oder analysiere sie selbst: Was strahlst du aus? Offenheit? Distanz? Energie?
✅ Bitte Kolleg:innen oder Freunde um Feedback, wie du selbst wirkst in unterschiedlichen Situationen oder Stimmungen.
✅ Übe, deine Beobachtungen neutral zu formulieren: „Er schaut immer wieder auf die Uhr“, statt „Er ist genervt.“
Erst nachdem du das neutrale Beobachten gelernt hast, kannst du im nächsten Schritt zu einer Interpretation dessen gehen.
Schritt 2: Beobachtungen interpretieren
Wenn du sicher im neutralen Beobachten geworden bist, kannst du beginnen, deine Eindrücke zu überprüfen und zu verfeinern.
✅ Nachfragen: „Ich habe das Gefühl, Sie sind sich noch unsicher, stimmt das?“
✅ PRO TIPP! Feedback einholen: „Darf ich fragen, was du dabei gedacht hast?“
✅ Erfahrungen sammeln: Je öfter du beobachtest, nachfragst und die Reaktion hörst, desto besser kalibrierst du deine Antennen.
✅ Trefferquote verbessern: Mit der Zeit wirst du merken, bei welchen Signalen du oft richtig liegst und bei welchen du dich häufiger täuschst.
Beispiel:
Du bemerkst, dass ein Kunde beim Preisangebot die Stirn runzelt. Statt sofort „zu teuer!“ zu denken, frage besser: „Passt das für Sie so oder möchten Sie noch etwas besprechen?“ – Der Kunde antwortet: „Alles gut, ich überlege nur, wie ich es intern rechtfertige.“
So lernst du, welche Körpersprache welche Bedeutung haben kann – in genau diesem Kontext und bei diesem Menschen.
Typische Fehler beim Menschen lesen
Auch wenn Menschen lesen eine wertvolle Fähigkeit ist, kann sie leicht missverstanden und falsch interpretiert werden.
Menschen lesen braucht Kontext – und Selbstreflexion
So hilfreich Menschen lesen im Business ist: Alle Signale, die du beobachtest, sind immer kontextabhängig.
✅ Ein verschlossener Blick kann bedeuten: Skepsis, aber auch einfach Müdigkeit oder dass die Sonne blendet.
✅ Verschlossene Arme können ein Zeichen von Abwehr sein – oder schlicht: „Mir ist kalt.“
✅ Ein Lächeln kann ehrlich gemeinte Sympathie ausdrücken – oder reine Höflichkeit.
Deshalb gilt: Beobachte nicht nur ein einzelnes Signal, sondern das Gesamtbild. Frag lieber nach, bevor du voreilig Schlüsse ziehst (gilt eigentlich immer, wenn du mit jemandem kommunizierst!).
Achte auch auf deine eigenen Projektionen!
Mindestens genauso wichtig: Wir interpretieren die Signale anderer oft durch den Filter unseres eigenen Zustands.
🪞 Wenn du selbst gestresst bist, siehst du vielleicht Skepsis, wo nur Nachdenklichkeit ist.
🪞 Wenn du selbst unsicher bist, nimmst du Ablehnung wahr, wo nur eine Frage offen ist.
🪞 Wenn du dich selbst unter Druck setzen, deutest du einen neutralen Blick eher als „Kritik“.
Tipp: Nimm dir einen Moment, um deine eigene Haltung zu checken, bevor du die deines Gegenübers deutest. Frag dich: „Ist das, was ich sehe, wirklich bei ihm/ihr – oder eher in mir?“
Vermeide also diese Fehler:
🚫 Zu schnelle Schlüsse ziehen („Der verschränkt die Arme, also lehnt er alles ab.“)
🚫 Eigene Vorurteile auf andere projizieren
🚫 Nur auf ein Signal achten, statt den Gesamteindruck zu betrachten
🚫 Signale nicht im Kontext zu sehen
Fazit: Menschen lesen bringt dich näher an dein Gegenüber
Menschen lesen ist kein Zaubertrick. Es ist die Kunst, genau hinzusehen, zuzuhören und sogar zu fühlen, was dein Gegenüber gerade tatsächlich braucht.
Im Business – vor allem im High-End-Verkauf – ist es ein entscheidender Unterschied, ob du nur redest oder wirklich verstehst.
Probier es aus: Beobachte heute einen Kollegen oder Kunden bewusst. Achte auf Körpersprache, Mimik, Stimme – und frage dich: Was sagt das über die Bedürfnisse, Stimme, Erwartungen oder Hemmnisse aus?
Du wirst überrascht sein, wie viel du schon erkennen kannst, wenn du die Tipps in diesem Artikel berücksichtigst.